

Wir, Wolfgang Gehrcke und Andrej Hunko, konnten Ende 2015 endlich die großartige Hilfsaktion für das Kinderkrankenhaus in Gorlowka in der Südostukraine erfolgreich abschließen.
In zwei Etappen, zuerst im Februar, dann im November 2015, konnten wir Medikamente im Wert von insgesamt 135.200 Euro zum Kinderkrankenhaus in Gorlowka bringen und dringend notwendige Reparaturen am Krankenhaus unterstützen. Wir hatten garantiert, dass dieses Geld zu 100 Prozent für Medikamente und medizinisches Gerät ausgegeben wird und wir dies öffentlich dokumentieren werden. Das sei hiermit abschließend getan. Wir danken allen Spenderinnen und Spendern, ihre Hilfsbereitschaft hat uns tief berührt und vor allem hat sie den Menschen in der Südostukraine gezeigt, dass sie nicht allein und von der Welt vergessen sind. Wir danken der russischen Stiftung Schönheit rettet die Welt, die sich mit weiteren Stiftungen zur Donbass-Hilfe zusammengeschlossen hat (www.donbass-hilfe.org).
Das Kinderkrankenhaus von Gorlowka ist jetzt eines ihrer Projekte. An die Donbass-Hilfe haben wir auch die 1.749 Euro, die wir von den Spendengeldern noch nicht ausgegeben hatten, überwiesen. Doch der Reihe nach:
So hat es angefangen
Begonnen hatte diese Aktion im Dezember 2014 mit einer kleinen Anzeige je im Neuen Deutschland und der jungen Welt, nachdem wir in Russland ein Lager von Flüchtlingen aus der Südostukraine besucht und sie uns um Hilfe für Kinder ihrer Region gebeten hatten. Damals – und die Lage hat sich seitdem nicht wesentlich verbessert, weder gibt es Frieden, noch ist das Leben der Menschen leichter geworden – waren die bewaffneten Konflikte zwischen den Kiewer Truppen, rechten und ukrainisch-nationalistischen Freischärlern auf der einen und den Aufständischen von Donezk und Lugansk auf der anderen Seite in einen offenen (Bürger-)Krieg umgeschlagen. Täglich starben Menschen durch Bomben, Granaten, Gewehre, Raketen oder politisch motivierte Morde, besonders im Osten. Dort fehlte es an allem: Lebensmitteln, Wasser, Strom, Heizmaterial, Medikamenten. Wie immer waren und sind die Schwächsten der Gesellschaft die Hauptleidtragenden. Dem Kinderkrankenhaus in Gorlowka, mit mehr als 10.000 jungen Patienten im Jahr das größte der Region, waren die Medikamente ausgegangen; direkt an der Demarkationslinie im umkämpften Gebiet gelegen, waren die Gebäude stark beschädigt oder ganz zerstört, es gab fast kein heiles Fenster mehr und Behandlungen konnten weitgehend nur noch in den Kellerräumen stattfinden. Trotzdem blieben Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte bei ihren kleinen Patienten und es wurden Kinder geboren. Hier wollten wir Not lindern.
Diese Initiative stieß auf eine überwältigende Resonanz. 1.200 engagierte Bürgerinnen und Bürger, Freundinnen und Freunde brachten in Einzelspenden und viele weitere in Sammelspenden 135.200 Euro zusammen. Sie alle haben gegeben, was sie konnten. Die Einen zwei oder fünf Euro, andere 1.000 oder gar 2.000 Euro. Die höchste Einzelspende, die uns erreicht hat, betrug 18.000 Euro.
Die Hilfsaktion hatte ausschließlich humanitären Charakter unabhängig davon, wie die Spenderinnen und Spender ihren jeweiligen und wir unseren politischen Standort beschreiben. Diesen pragmatischen Humanismus haben wir nicht mit der Propagierung unserer politischen Positionen verbunden.
Unter Kriegsbedingungen und der, um es höflich auszudrücken, nicht kooperativen Haltung der Kiewer Regierung erwies sich die Hilfslieferung freilich als überaus schwierig und sehr langwierig. Um sicherzugehen, dass die am dringendsten benötigten Medikamente sofort gekauft werden und bei den Empfängern ankommen, entschlossen wir uns zu Beginn des Jahres 2015, die Medikamente kurzfristig persönlich dorthin zu bringen. Mit Hilfe russischer Freundinnen und Freunde, namentlich des Duma-Abgeordneten der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF), Wladimir Bessonow und seinem Team, konnten wir in Rostov am Don für 38.000 Euro Medikamente einkaufen und direkt in das Kriegsgebiet des Donbass bringen. Da die ukrainische Regierung kein sicheres Geleit zur Ostukraine zusichern konnte, war die Einreise über Russland die einzige Chance. Diese zwar im Ergebnis erfolgreiche, aber in ihrem Verlauf doch etwas waghalsige Aktion konnten wir nicht wiederholen und schon gar nicht in einem Umfang von weiteren fast 100.000 Euro. Wir mussten andere Wege finden, dazu unten mehr. Im September 2015 haben wir von unserem Spendenkonto 2.535 Euro für die Reparatur der Heizungs- und Wasserrohre im Krankenhaus und die gleiche Summe für die Reparatur der Fenster im Hauptgebäude sowie über 90.000 Euro für den Einkauf und Transport medizinischer Materialien und Medikamente an die Stiftung Schönheit rettet die Welt überwiesen, die diese Transaktionen in Übereinstimmung mit den russischen Gesetzen und den Regularien der Regionen Donezk und Lugansk , abgewickelt hat. Von der ersten wie der zweiten Lieferung gingen kleine Teile in Form von Erste-Hilfe-Paketen auch an wenige weitere Krankenhäuser in Donezk und Lugansk. Im Mittelpunkt aber stand das Kinderkrankenhaus von Gorlowka.
Wie wichtig diese Hilfsaktion vielen Menschen hierzulande war, konnten wir nicht nur an den Spenden ablesen, sondern auch in Mails oder auf Facebook. „Wir sind zutiefst gerührt von dieser Aktion und sagen ganz einfach DANKE!“ notierte eine Frau auf Facebook. Und eine andere: „Das ist endlich ein positives Signal aus Deutschland und die Menschen im Donbass wissen, dass man sie hierzulande nicht vergessen hat. Herzlichen Dank!“ Umgekehrt sind wir dankbar und tief bewegt, dass wir so viel Mitgefühl und Solidarität erleben durften.
Das Geld ist ordnungsgemäß für die vorgesehenen Zwecke eingesetzt worden, davon konnten wir uns mit Freundinnen und Freunden vom 18. bis 21. November 2015 in Gorlowka selbst überzeugen. Damit ist diese Hilfsaktion abgeschlossen. Spenderinnen und Spender können gern Einsicht in die Einkaufslisten und Abrechnungen nehmen.
Eine Seite fehlt: Die Bundesregierung
Inzwischen ist das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in der Ukraine und der Ostukraine präsent. Aus Deutschland leisten örtliche und regionale Komitees Hilfe, etwa, als ein Beispiel, im Rahmen der Städtepartnerschaft Bochum – Donezk. Nur eine Seite fehlt fortdauernd und auffallend: Die Bundesregierung. Zugesagt hatte sie insgesamt 18 Millionen Euro an humanitärer Hilfe (2015) einschließlich für die Gebiete, die nicht von der Regierung in Kiew kontrolliert werden, 2016 sollen diese Mittel auf 23 Millionen Euro steigen. Doch angekommen ist davon in der Südostukraine noch nichts. Auf Nachfragen erhielt Andrej Hunko am 15. März 2016 aus dem Auswärtigen Amt diese Antwort: „Da bislang keine deutsche NGO in den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten der Ukraine (NGCA) registriert worden ist, konzentriert sich die weitere deutsche Hilfe auf die von der Regierung kontrollierten Gebieten.“ Das internationale Rote Kreuz bekäme für seine Arbeit in der Ukraine in diesem Jahr fünf Millionen Euro von der Bundesregierung, heißt es weiter, und es „plant“ Hilfe auf beiden Seiten der Demarkationslinie zu leisten. Alles bleibt also auch weiter im Ungefähren. Die Bundesregierung teilt nicht mit, welche konkreten Schritte zur Hilfe auch für die Menschen in den Gebieten Donezk und Lugansk sie unternommen hat und auch nicht, woran sie gescheitert sind.
Humanitäre Hilfe wird dringend gebraucht
Mit mehr als einer viertel Million Einwohnern gehörte Gorlowka zu den größeren Städten der Ukraine. Sie liegt an der wichtigen Verbindungsstraße zwischen Lugansk und Donezk und war besonders hart umkämpft. Jeder dritte Einwohner ist in die (West-) Ukraine oder nach Russland geflohen. Hier einige Zahlen und Fakten zu Kriegsfolgen: Aus dem gesamten Donbass sind zwei Millionen Menschen zu Flüchtlingen geworden. Russland hat aus der gesamten Ukraine mehr als eine Million Flüchtlinge aufgenommen (siehe Sputnik, 01.12.2015). Zu den Toten und Verletzten dieses Krieges gehen die Zahlen extrem auseinander. Laut UNO-Angaben von Ende April 2016 sind seit Beginn des Ukraine-Konflikts vor zwei Jahren 9.333 Menschen getötet und 21.396 verletzt worden (NZZ, 29.04.2016). „Deutsche Sicherheitskreise“ hingegen sprachen schon im Februar 2015 von bis zu 50.000 Kriegstoten (siehe Die Welt, 08.02.2015)
Unsere erste Hilfslieferung im Februar 2015 fiel exakt auf den Tag vor Inkrafttreten des zweiten Minsker Abkommens. Der Flughafen von Donezk wurde noch während wir dort waren von der anderen Seite aus beschossen. Gorlowka erreichten wir nicht, die Stadt war noch zu heftig umkämpft. Nach Minsk II ließen die Kampfhandlungen im Sommer 2015 nach, die Menschen atmeten auf und begannen mit dem Wiederaufbau. In Gorlowka gab es zwar keine militärische Einrichtung, aber alle acht Krankenhäuser waren beschossen worden, 21 der 23 Schulen, 16 von 19 KiTas und Häuserblocks in relativ dicht bebauten Quartieren. Ab November 2015 aber nahm der Beschuss wieder zu, das registrieren die OSZE-Beobachter in ihren täglichen Berichten. Auch wir wurden im November 2015 Zeugen von Schüssen aus schweren Waffen auf den Donezker Flughafen und von nächtlichen Detonationen in der Nähe unseres Hotels in Gorlowka.
Auf der Suche nach Partnern
Es hatte ein dreiviertel Jahr gedauert, bis der große „Rest“ der so elementar nötigen Hilfe vollständig in Gorlowka angekommen war. Obwohl es im Minsker Abkommen heißt, dass Bedingungen geschaffen werden sollen, damit humanitäre Hilfe geleistet werden kann und geleistet wird, ist es immer noch kompliziert, sie zu Menschen in der Südostukraine zu bringen, wo kein Frieden herrscht.
Selbstverständlich haben wir uns frühzeitig bei Hilfsorganisationen erkundigt, die über weit mehr Erfahrung als wir in der Organisation von größeren bis großen Medikamenten-Transporten verfügen. Das Internationale Rote Kreuz (IRK) signalisierte, dass es eine Vertretung in Donezk habe, man aber keine Medikamente in die Region sende. Medico International teilte uns mit, dass sie selbst nicht in der Region aktiv seien. Von „Ärzte ohne Grenzen“ war ein kleines Team in der Stadt Gorlowka, es war jedoch nicht in der Lage, unsere Aktivitäten mit den Ihrigen zu verbinden, schrieb uns Herr Robert-Nicoud von der Schweizer Sektion am 14. Februar 2015. Wir verstehen und respektieren, dass Hilfsorganisationen Spendengelder nur für ihre eigenen Projekte und entsprechend ihren moralischen oder programmatischen Grundsätzen ausgeben können und nicht von vornherein sehr konkret zweckgebunden, wie wir es mit der Gorlowka-Hilfe angekündigt hatten und wünschten.
Auch an Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatten wir uns im Januar 2015 gewandt, unsere Initiative geschildert und um Informationen, möglichst auch um Unterstützung, gebeten. Der Ukraine-Stab im Auswärtigen Amt hat uns daraufhin empfohlen, das von uns gesammelte Geld an das UN-Hilfswerk speziell für Flüchtlinge zu überweisen. Das wäre jedoch, meinen wir, nicht im Sinne der Spenderinnen und Spender gewesen, die Wert auf konkrete Hilfe gemäß dem Aufruf für die Menschen in ihrer Heimat legten.
Anfang Februar 2015 haben wir Kontakt zur ukrainischen Botschaft aufgenommen. Der Gesandte der ukrainischen Botschaft in Berlin, Botschaftsrat Oleg Mirus, informierte uns, dass Hilfsgelder nur an autorisierte Vertretungen entsprechend der ukrainischen Gesetzgebung gezahlt werden können, darunter namentlich das Internationale Rote Kreuz. Das aber wollte ja keine Medikamente dorthin liefern.
Zusammenarbeit gesucht haben wir mit der russischen Initiative „Faire Hilfe“ von „Dr. Lisa“, wie die Initiatorin Dr. Elisaweta Glinka respektvoll von Unterstützerinnen und Unterstützern wie den Unterstützten genannt wird; wir hatten uns mit ihr in Moskau auch persönlich getroffen. Kontakt hatten wir mit dem Donbass-Hilfsfonds, einer Organisation, die Hilfe regional und grenzüberschreitend organisiert. Im Sommer waren wir auf Umwegen auch auf das Ioanno-Predtetschenskij-Kloster der Russisch-Orthodoxen Kirche in Astrachan gestoßen; dort unterzeichneten der Vorsteher des Klosters Igumen Pjotr und Wolfgang Gehrcke am 12. August 2015 ein Kooperationsabkommen. Auch die Duma von Astrachan und der dortige Runde Tisch gesellschaftlicher Organisationen zur Flüchtlings- und Donbass-Hilfe hatten ihre Unterstützung zugesagt. Leider führte letztlich auch dieser Weg nicht zum Erfolg.
Endlich lernten wir die St. Petersburger wohltätige Stiftung zur Unterstützung von Kunst und Kultur Schönheit rettet die Welt kennen. Sie hat Erfahrungen in der Organisation von Hilfslieferungen, u.a. durch die Bereitstellung der Transportmittel und der Bewachung der Lieferung bis zum Bestimmungsort sowie mit der Erledigung aller Formalitäten für den Grenzübertritt. Denn im Gegensatz zum Februar 2015 lässt die russische Seite keine privaten Hilfslieferungen mehr durch, wenn sie keine Genehmigung des russischen Zivilschutzministeriums haben. Darüber verfügt die Stiftung erfreulicherweise. Direktor der Stiftung ist der international bekannte Opernsänger Wladimir Wjurow, der bereits mehrmals seit Kriegsbeginn – unentgeltlich – im Donezker Opernhaus aufgetreten ist, während draußen die Granaten einschlugen. Darüber schrieben Moritz Gathmann und Christian Neef im Magazin Spiegel (52/2014).
Im November 2015 endlich hat dann die Stiftung Schönheit rettet die Welt Medikamente und medizinisches Material in einem Gesamtwert von 90.155 Euro, sowie 5.370 Euro für Material- und Reparatur-Aufwendungen in die Südostukraine, vornehmlich in das Kinderkrankenhaus von Gorlowka, gebracht.
Allen Institutionen, Behörden, Stiftungen, Einzelpersönlichkeiten danken wir für ihre Bereitschaft, mit uns zusammenzuarbeiten.
Im Gespräch mit der Bevölkerung und der Administration
In Donezk erwartete uns im Februar 2015 Alexander Sachartschenko und wollte gern mit uns sprechen. Weder Begegnung noch Gespräch mit dem Chef der „Donezker Volksrepublik“ hatten auf der Reiseplanung gestanden. Aber wir hatten uns vorher entschieden, dass wir, wenn es zu einer solchen Situation kommen sollte, ihr nicht ausweichen werden. Dies aus mehreren Gründen:
Humanitäre Hilfe, Transport und Verteilung von Medikamenten in einem Gebiet, das von den Aufständischen kontrolliert wird, ist ohne Zustimmung der realen Macht überhaupt nicht möglich. Unsere Hilfe war also auf die Bereitschaft angewiesen, die Hilfe anzunehmen. Das ist der wichtigste Grund.
Wichtig war auch, dass unsere Ankunft an jenem Tag erfolgte, an dem um 23 Uhr (Ortszeit) die in Minsk vereinbarte Waffenruhe in Kraft treten sollte. Wir konnten und wollten uns also über die neue Vereinbarung und die Bereitschaft der „Separatisten“ informieren, sie ihrerseits auch umzusetzen.
Darüber hinaus: Abgeordnete müssen das Recht verteidigen, sich ein eigenes Bild von der Lage machen zu können. Abgeordnete können und werden keine staatliche Anerkennung vollziehen oder ersetzen können. Der künftige Status des Donbass war eben nicht Gegenstand unserer Hilfsaktion gegen akute Not.
Beim zweiten Aufenthalt vom 18. bis 21. November 2015 wollten wir das Kinderkrankenhaus in Gorlowka endlich selbst in Augenschein nehmen, wir wollten den Chefarzt, Dr. Denis Taranow, mit dem wir bislang nur E-Mail-Kontakt hatten, und das Team von Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften persönlich kennenlernen. Sie alle haben uns tief beeindruckt. Sie arbeiten unter extrem schwierigen Bedingungen, ständig fehlt irgendetwas und oft sogar etwas sehr Wichtiges. Aber sie sind nicht fortgegangen, sind geblieben, denn vor Ort leben ja immer noch unzählige Menschen, Kinder und Mütter, Eltern, Schwangere, die sie brauchen.
Wir wollten uns auch einen Eindruck verschaffen vom gesellschaftlichen Umfeld der Hilfsaktion, also von den Lebensbedingungen der Menschen, ihren Erfahrungen und der Einschätzung des Minsker Abkommens durch die Bevölkerung und die Administration. Dass wir in der Kürze der Zeit so viel sehen konnten, so viele Begegnungen und Gespräche hatten, verdanken wir nicht zuletzt Eduard Loginov, russischer humanitärer Hilfsaktivist aus Surgut im Autonomen Gebiet Chanty-Mansijsk-Jugry. Er hat unseren Aufenthalt logistisch vorbereitet und begleitet. Alexej Iwachnenko, Bürgermeister von Gorlowkas Stadtbezirk Mitte, führte uns durch seinen Stadtteil und ermöglichte uns Begegnungen und Gespräche mit Bewohnerinnen und Bewohnern. Swetlana Bassowa, verantwortlich für Soziales und Bildung in der Verwaltung von Donezk, vermittelte uns die Schwierigkeiten verlässlicher Bildung unter Bedingungen des Krieges und ermutigende Beispiele, wie Festivals von und für Kinder mit Handicaps. Ludmilla Isakiewa, Direktorin des Lyzeums Nr. 14 in Gorlowka, zeigte uns ihre Schule, in der nur einen Monat nach schwerem Beschuss am 1. September 2015, dem Tag des Schulbeginns nach den Sommerferien, dank der freiwilligen Arbeit von Nachbarn und Hilfe aus örtlichen Betrieben wieder Unterricht stattfinden konnte. Jewgenij Denissenko, Generaldirektor des Opern- und Balletttheaters Donezk, lobte die gute Zusammenarbeit mit dem deutschen Generalkonsulat in Friedenszeiten bei der Inszenierung von Wagners Fliegendem Holländer; die durch Beschuss zerstörten Kulissen sollen rasch wiederhergestellt werden, um die Oper erneut aufzuführen. Denis Puschilin, Donezker Verhandlungsführer in Minsk, hält trotz Stillstands am Weg der Verhandlungen fest. Sein Ziel: Die Ukraine als Föderation mit weitgehenden Selbstbestimmungsrechten der Regionen, mindestens nach dem Vorbild der Schweiz oder der Bundesrepublik Deutschland. Eduard Bassurin ist zwar militärpolitischer Sprecher der Volksrepublik Donezk, aber auch er setzt auf Verhandlungen und führte uns zu den Verwüstungen des Flughafens von Donezk, von Kirchen, Friedhöfen und Wohngebieten. Ariane Bauer, „Head of sub-delegation“ des Internationalen Roten Kreuzes, quasi dessen Vorsitzende in Donezk, konnte dort im November 2015 nach monatelangen Vorbereitungen endlich ihre Tätigkeit in Donezk aufnehmen. Ihnen allen danken wir, dass sie sich Zeit für uns und unsere Fragen genommen haben.
Als Bundestagsabgeordnete der Fraktion DIE LINKE treten wir parlamentarisch und außerparlamentarisch dafür ein, dem Minsker Abkommen in all seinen Teilen Geltung zu verschaffen und es mit Leben zu erfüllen. Minsk II sieht einen allseitigen Waffenstillstand vor, den Abzug schwerer Waffen, aller Söldner, ausländischer bewaffneter Einheiten und deren Militärtechnik, Grenzkontrollen durch die Ukraine, ihre Dezentralisierung, Selbstverwaltung der Gebiete von Donezk und Lugansk, regionale Wahlen, Gefangenenaustausch und Amnestie, humanitäre Hilfe sowie „die vollständige Wiederherstellung der sozialen und wirtschaftlichen Verbindungen ... einschließlich der Überweisung von Sozialleistungen wie Rentenzahlungen“. Keiner dieser Punkte ist bislang erfüllt. Der Weg zum Frieden in der Ukraine bleibt noch langwierig und mühsam.
Reaktionen aus der Politik
Die Hilfsaktion und vor allen Dingen das Gespräch im Februar 2015 mit Alexander Sachartschenko haben unterschiedliche Reaktionen und teils heftige Kritik ausgelöst. Debatten über unsere Reise gab es mehrfach im Plenum des Bundestages, im Auswärtigen Ausschuss sowie im EU-Ausschuss. Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PV-ER), der Andrej Hunko für den Deutschen Bundestag angehört, wurden seitens ukrainischer Nationalisten für heftige Auseinandersetzungen über diese Reise ausgenutzt. Die linke Fraktion in der PV-ER hingegen wie auch die Fraktion DIE LINKE im Bundestag und der Parteivorstand der LINKEN erklärten sich solidarisch mit dem Anliegen unserer Initiative. Unterstützung, die teilweise auch Kritik einschließt, erhielten wir von vielen Genossinnen und Genossen, von Gliederungen der Partei DIE LINKE, von Bürgerinnen und Bürgern, Vereinen, wie auch aus der Friedensbewegung.
Bezogen auf unser Anliegen der humanitären Hilfe, erhielten wir vom Ukraine-Stab des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik sachliche Hinweise.
Ein angespanntes Verhältnis besteht weiterhin seitens der ukrainischen Regierung und somit auch der ukrainischen Botschaft zu uns. Wir hatten uns von Anfang an und fortdauernd im Kontakt mit der ukrainischen Botschaft darum bemüht, einen Hilfstransport über das Territorium der Ukraine bei sicherem Geleit bis zur Demarkationslinie nach Donezk zu verabreden. Endlich hatte der Botschafter der Ukraine in Berlin, Andrij Melnyk, uns mitgeteilt: Die Sicherheit des Hilfstransports könne seine Regierung nicht garantieren, das sei Sache der Geheimdienste. Und auf deren Verhalten habe die Regierung keinen Einfluss. Die ukrainische Regierung selbst verweigerte uns die Einreise in die Ukraine und dem Hilfstransport die Durchreise nach Gorlowka. Unter Punkt 7 des Minsk-II-Abkommens heißt es hingegen klar: „Es ist auf Grundlage internationaler Mechanismen für sicheren Zugang, Lieferung, Lagerung und Verteilung humanitärer Hilfsgüter für Bedürftige zu sorgen.“ Es dürfte wohl die Pflicht der Bundesregierung sein, derartige Einreiseverbote für Bundestagsabgeordnete und humanitäre Zwecke nicht stillschweigend hinzunehmen.
Mit Datum vom 20. Januar 2016 nahm Botschafter Melnyk in einem Brief an Günther Krichbaum, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, Bezug auf „die Vorfälle mit den Bundestagsabgeordneten der Fraktion Die Linke, Herrn Wolfgang Gehrcke und Andrej Hunko, die 2015 wiederholt gegen die ukrainische Gesetzgebung verstoßen haben, indem sie gesetzeswidrig in die besetzten Gebiete im Osten der Ukraine eingereist sind“. Die Botschaft verfüge über Angaben, heißt es weiter, dass „aufgrund der erwähnten Handlungen von Herrn Gehrcke und Herrn Hunko diesen Personen die Einreise in die Ukraine ... verboten“ sei. Die beiden Betroffenen selbst wurden bis heute nicht persönlich über dieses Einreiseverbot und die möglichen Konsequenzen informiert. Hinzu kommt das befremdliche Ansinnen des EU-Ausschussvorsitzenden Krichbaum der meinte, die LINKE solle statt Andrej Hunko einen anderen Parlamentarier für eine Delegationsreise des Ausschusses in die Ukraine vom 31. Januar bis 3. Februar 2016 benennen. Das wiesen die LINKEN Fraktionsvorsitzenden zurück. Es könne nicht sein, schrieben sie, „dass die Regierungen von Drittstaaten über die Zusammensetzung von Delegationen des Bundestages bestimmen“. Sehr bedenklich ist, dass der EU-Ausschuss trotzdem in die Ukraine fuhr – ohne Andrej Hunko – und, soweit bekannt, auch ohne Protest gegen das Einreiseverbot eines Kollegen aus dem Bundestag und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zu erheben.
Dank
Neben all den Menschen, denen wir in diesem Bericht schon unseren Dank ausgesprochen haben, möchten wir unsere Mitstreiter aus Deutschland nicht unerwähnt lassen: Wir danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diese Aktion möglich gemacht haben: dem Pressesprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, Michael Schlick, dem studentischen Mitarbeiter Julius Zukowski-Krebs, der für uns gedolmetscht hat, Olga Lorenz (Ulyanova), die uns mit Kenntnis und Sprache beraten hat, den Journalistinnen und Journalisten Christiane Reymann, Peter Wolter und Hans-Martin Wietek, aus unseren Büros endlich Ramona Dittrich und Anna Bormann. Großer Dank geht an Hartmut und Ludmila Hübner, die für uns alle Gespräche und Verhandlungen zum zweiten Hilfstransport vorbereitet und Schwierigkeiten geebnet haben. Wir danken den vielen Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die gespendet haben, die uns ihre direkte fachliche Hilfe angeboten und ihre Kontakte in die Region zur Verfügung gestellt haben. Die von uns gesammelten Erfahrungen geben wir gern weiter an Städte, die durch Partnerschaften mit Kommunen in der Ostukraine verbunden sind, oder an Initiativen und Vereine, die Interesse an Kontakten und Hilfe haben. Ausdrücklicher Dank geht auch an die russisch- und ukrainisch-stämmigen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, die sich in Klubs und Vereinen zusammengeschlossen haben und aktive Hilfe für die Menschen in der Ukraine organisieren.
Weitere Informationen über und um dieses Projekt, auch ein Video, Fotoalbum, Bilder, Artikel finden sie auf unseren Websites
www.wolfgang-gehrcke.de, speziell
http://www.wolfgang-gehrcke.de/de/topic/212.kinderkrankenhaus-gorlowka.html
Die St. Petersburger Stiftung Schönheit rettet die Welt, mit deren Hilfe wir den Großteil der Hilfsgüter nach Gorlowka bringen konnten, hat sich mit weiteren Stiftungen zur Donbass-Hilfe zusammen getan. Eines ihrer Projekte ist das Kinderkrankenhaus in Gorlowka, ihre deutschsprachige Website www.donbass-hilfe.org